: Kleiner Mann in der Mütze
José Mourinho, der Trainer des FC Chelsea, bricht die von der Uefa verhängte Kontaktsperre zu seiner Mannschaft, die die erschreckend schwachen Bayern aus München im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League mit 4:2 von der Insel fegt
AUS LONDON RALF SOTSCHECK
Selten war ein Abwesender so präsent, wie José Mourinho es am Mittwochabend im Londoner Stadion an der Stamford Bridge war. Dem portugiesischen Trainer des FC Chelsea war von der Uefa jeder Kontakt zu seinen Spielern während des Champions-League-Spiels gegen Bayern München untersagt worden, weil er „Schande über den Fußball“ gebracht habe. Mourinho hatte sich über verbotene Kontakte des gegnerischen Trainers mit Schiedsrichter Anders Frisk in der Achtelfinalpartie in Barcelona beschwert.
Vorgestern kam Mourinho gar nicht erst ins Stadion. Sein Assistent Baltemar Brito sagte vor dem Spiel, der Boss werde die Zeit an einem „privaten und sehr friedlichen Ort“ verbringen. Etwa in einer Kirche? Es stellte sich heraus, dass Mourinho das Spiel im Sportzentrum des Chelsea Village Hotel verfolgte, keine 50 Meter vom Fußballplatz entfernt. Wäre er ins Stadion gekommen, hätte die Uefa einen Aufpasser neben ihn gesetzt, um die Kontaktsperre zu überwachen. So aber blühten die Spekulationen nach dem Spiel, der deutliche 4:2-Sieg Chelseas gegen eine erschreckend schwache Bayern-Mannschaft trat völlig in den Hintergrund.
Die englische Presse druckte gestern eine Fotoserie ab, auf der Chelsea-Konditionstrainer Rui Faria zu sehen war. Er saß ausnahmsweise auf der Trainerbank und schien sich während des Spiels angeregt mit seiner Wollmütze zu unterhalten. Dreimal gab er danach einen Zettel an Brito weiter, der daraufhin auswechselte. „Mourinhos Hat Trick“, so urteilten die englischen Journalisten einmütig. Die Uefa will den Fall aber nicht weiter untersuchen, sie könnte den Hut-Trick kaum beweisen.
Ausschlaggebend war er ohnehin nicht. Chelsea war den Bayern in allen Belangen überlegen. Die hofften zwar auf ein günstiges Ergebnis, nachdem Bastian Schweinsteiger in der 52. Minute Lucios Eigentor kurz nach Spielbeginn ausgeglichen hatte, doch binnen einer guten Viertelstunde brachte Frank Lampard, einer der besten Mittelfeldspieler Europas, Chelsea mit 3:1 in Führung. Als Didier Drogba dann noch ein Tor nachlegte, schien das Rückspiel am kommenden Dienstag in München nur noch eine Formsache.
Dabei war Chelseas Taktik gar nicht sonderlich raffiniert: Das englische Team schlug immer wieder hohe Bälle in den Bayern-Strafraum, wo ein ums andere Mal Panik ausbrach. Lucio und vor allem Robert Kovac waren völlig überfordert, so hilflos hatte man die Abwehr lange nicht gesehen. Bayern-Trainer Felix Magath gab dennoch dem Schiedsrichter die Schuld: Der 2,03 Meter große Niederländer René Temmink habe bei hohen Bällen stets gegen die Bayern gepfiffen, das habe den armen Kovac so verunsichert, dass er sich gar nichts mehr traute, sagte Magath. In Wahrheit kann er sich über den Schiedsrichter nicht beschweren. Der Elfmeter, den Temmink den Bayern in letzter Sekunde zusprach, war zumindest zweifelhaft. Ballack, bis dahin nur Statist, war nach einem Trikot-Zupfer von Ricardo Cavalho theatralisch zu Boden gegangen. Zu Chelseas Verdruss verwandelte Ballack trotz dieses traumatischen Erlebnisses den Strafstoß sicher.
Brito, der bei der anschließenden Pressekonferenz so grimmig dreinblickte, als habe sein Team gerade haushoch verloren, ist dennoch zuversichtlich, dass Chelsea das Halbfinale erreichen wird. Diese Meinung interessierte aber niemanden. Ob er mit Mourinho gesprochen habe, wollten die Journalisten wissen. „Nein“, knurrte Brito. Es ging zu wie bei der Anhörung zur Clinton-Affäre: Hat jemand anders mit Mourinho gesprochen? Gab es eine SMS? Oder irgendeinen Kontakt einer anderen Art? Brito stritt alles clintonesk ab.
Den Bayern reicht im Rückspiel nun ein 2:0-Sieg. Er sei enttäuscht, aber voller Hoffnung, sagte Magath: „Wir sind jetzt in derselben Situation, wie Arsenal es gegen uns nach der 1:3-Niederlage in München im Achtelfinale war.“ Wie das ausging, ist bekannt: Arsenal schied aus. Das blüht auch den Bayern, selbst wenn Roy Makaay und Martin Demichelis am Dienstag wieder dabei sind, denn der FC Chelsea spielt so diszipliniert wie ein Computer, der von Mourinho programmiert worden ist. Der hat übrigens Kapital aus seiner Uefa-Strafe geschlagen. Weil sich Mourinho von seinem Verein bei den Querelen im Stich gelassen fühlte, befürchtete man, dass er zum Sommer kündigen werde. So erhöhte Chelseas Eigentümer, der russische Ölmilliardär Roman Abramowitsch, Mourinhos Gehalt kurzerhand um eine 1 Million auf 5,2 Millionen Pfund im Jahr. Da wird Mourinho es verschmerzen, dass er auch beim Rückspiel keinen Kontakt zu den Spielern haben darf. Vermutlich hofft er auf einen Kälteeinbruch in München, damit Farias Wollmütze nicht weiter auffällt.